Die Monsterjagd
Die in diesem Buch beschriebene Monsterjagd ist eine Art Spiel im Spiel. Im Großen und Ganzen geht es darum, dass Jäger ausziehen, weil sie von notleidenden Menschen um Hilfe gebeten werden, die von einer unbekannten Art von Bestie terrorisiert werden. Alle Regeln zur Monsterjagd in diesem Buch sind rein optional – der HeXXenmeister kann sich jene Elemente rauspicken, die für ihn und seine Gruppe interessant sind, und alle anderen ignorieren. Eine Monsterjagd ist ein vom HeXXenmeister erschaffenes, meist kurzes Abenteuer. Der offizielle Begriff für eine solche Mission lautet „Feldeinsatz“, weil dieser Begriff den wissenschaftlichen Ansatz unterstreicht. Tatsächlich laufen die meisten Feldeinsätze darauf hinaus, diverse schwierige oder gefährliche Herausforderungen zu meistern und sich am Ende mit dem Inconnu zu prügeln. Nach welchen Kriterien ein HeXXenmeister eine Monsterjagd zusammenbaut, ist allein ihm überlassen. Was jedoch Spieler und Spielleiter wissen müssen, ist, dass jedes Inconnu fünf sogenannte Indikatoren aufweist – je einen Indikator aus folgenden Kategorien: Umwelteinfluss, Lebensbereich, Ziele, Herkunft und Art. Die jeweils passenden Indikatoren sind unter den Monsterbeschreibungen in Teil 3 dieses Buchs zu jeder Kreatur einzeln aufgeführt, aber der HeXXenmeister kann diese auch variieren oder eigene Monster mit eigenen Indikatoren erfinden. Werden die optionalen Regeln für Feldeinsätze genutzt, wird es Aufgabe der Jäger (und Spieler) sein, alle fünf Indikatoren zu ermitteln, indem sie Hinweise finden und die richtigen Schlüsse ziehen. Für jeden exakt bestimmten Indikator haben sich die Jäger am Abschluss der Monsterjagd einen sogenannten Forschungspunkt verdient. Mit diesen Punkten können sie sich eine Menagerie einrichten oder ihre eigenen Kenntnisse in der Parazoologie verbessern.
Kategorie 1: Umwelt
Dieser Indikator beschreibt, an welchen Folgen man das Wirken eines Inconnu feststellen kann. So könnte ein Inconnu einfach nur Schabernack treiben oder Menschen töten und ihr Blut aussaugen. Es könnte sich aber auch um eine schleichende Veränderung handeln: Die Felder werden zunehmend unfruchtbarer oder die Menschen im Wirkungsbereich fallen langsam dem Wahnsinn anheim. Auswirkungen auf die Umwelt stellen oft das erste Zeichen dar, dass sich ein Inconnu in einem bestimmten Wirkungsbereich aufhält. Meist werden Parazoologen um Hilfe gerufen, sobald diese Auswirkungen offensichtlich geworden sind. Zu diesem Zeitpunkt kann jedoch noch niemand wissen, ob die Auswirkungen auf die Anwesenheit eines Inconnu oder einer intelligenten Kreatur der Nacht zurückzuführen sind. Weil Parazoologen aber immer auch gleichzeitig Jäger sind, werden sie gerne um Hilfe gebeten, um dem schädlichen Einfluss auf den Grund zu gehen. In den meisten Fällen ist die Auswirkung auf die Umwelt und somit Indikator #1 von vornherein klar, muss aber dennoch eindeutig bestimmt werden. Manchmal liegen aber auch mehrere Indikatoren vor, und die Jäger müssen dann den dominanten bestimmen.
Kategorie 2: Lebensbereich
Dieser Indikator definiert den bevorzugten Lebensbereich eines Inconnu. Es kann sich ebenso um einen Sumpf wie um einen leerstehenden Keller handeln, ebenso um ein altes verlassenes Bergwerk wie um einen verzauberten Wald. Viele Inconnu trachten danach, ihren Lebensbereich so anzupassen, dass sie sich dort heimisch fühlen. Ermitteln die Jäger den richtigen Lebensbereich, haben sie es leichter, den Inconnu aufzustöbern, um ihn letztendlich bekämpfen oder fangen zu können.
Kategorie 3: Ziele
Diese Kategorie beschreibt die eigentlichen Ziele des Wesens. Will es die Herrschaft über eine bestimmte Region an sich reißen oder einfach nur in Ruhe gelassen werden? Will es die Umgebung in seinem Sinne verändern, sucht es einen Ort zur Aufzucht seiner Jungen oder beschützt es einen Eingang zum Albenreich? Die Bestimmung der Ziele ist mitunter das Schwierigste bei der Monsterjagd. Meist kann dieser Indikator erst dann ermittelt werden, wenn die Jäger das Nest, die Heimstätte oder das Lager des Inconnu untersuchen, oft erst nach dessen Bekämpfung. Manchmal muss man auch Vermutungen anstellen.
Kategorie 4: Hintergrund
Diese Kategorie beschreibt, warum und wie ein Inconnu sich in einem bestimmten Wirkungsbereich angesiedelt hat. Die Hintergrundermittlung kann mitunter sehr schwierig sein und erfordert manchmal umfangreiche Befragungen betroffener Gemeinden. Häufig sind die Parazoologen gezwungen, hier zu raten.
Kategorie 5: Klassifizierung
Die Klassifizierung beschreibt, welcher Art das Inconnu angehört. Typische Arten sind Hexenkreaturen, Albentiere, Dämonenbrut, Untote und „normale“ Tiere. Die Klassifizierung einer Art findet üblicherweise nicht während der Feldforschung statt, sondern durch eine exakte Untersuchung des lebenden Wesens in einem speziellen Gehege oder durch Sezieren des Kadavers im Labor.
Ablauf eines Feldeinsatzes
Ein Feldeinsatz folgt üblicherweise dem folgenden Ablauf, wobei sich jederzeit Änderungen ergeben können (auch aufgrund abweichender Planungen der Jäger).
1. Auftragsvergabe
Die Jäger erhalten von der Universitätsleitung oder der Fachbereichsleitung einer Universität einen Auftrag. Sie sollen zu einem Zielort reisen und dort ihre Recherchen aufnehmen. In den allermeisten Fällen kam es am jeweiligen Zielort bereits zu merkwürdigen Phänomenen, die mit dem Wirken eines Inconnu oder einer Kreatur der Nacht in Verbindung gebracht werden. Oft ist es die Bevölkerung selbst, die sich mit einer Bitte um Unterstützung an die Universität, einen Großgrundbesitzer oder Landesherrscher wendet. Vielfach wurden bereits Jäger, Söldner oder höfische Gelehrte ausgesendet, um den Vorfall zu klären – in diesem Fall sind die jeweiligen Abenteurer aber spurlos verschwunden (oder anderweitig gescheitert), und die Parazoologen reisen mit dem Nebenauftrag aus, das Schicksal dieser ersten Ermittler zu klären. Einige größere Universitäten, darunter vor allem die Wiener Lehranstalt, haben inzwischen eigene Informationsbeschaffer. Das sind häufig Beamte in den Amtstuben von Residenzstädten, die gute Erfahrungen mit Parazoologen gemacht haben. Aber auch reisende Kaufleute, Reichsritter und sogar hochrangige Militärangehörige, Schriftgelehrte und nicht zuletzt einzelne Zellen des Wächterbundes beliefern die Universität mit Hinweisen. (Wobei man anmerken muss, dass der Wächterbund die Arbeit der Parazoologen manchmal als Konkurrenz ansieht.)
2. Zusammenstellung der Gruppe
Für den jeweiligen Auftrag wird entweder eine bereits eingespielte Jägergruppe ausgesucht oder eine neue zusammengestellt. Die Mitglieder einer Jägergruppe können verschiedenen Tätigkeiten oder Professionen nachgehen. Sie alle zeichnet jedoch eine gewisse Neugier und das Bedürfnis aus, Inconnu wissenschaftlich zu studieren. Die allermeisten Professoren lehnen religiöse Eiferer in den Reihen ihrer Jägertrupps ab, da sie nicht darauf vertrauen können, dass solche Jägern ihnen einen Inconnu jemals lebend abliefern. Dafür ist mindestens ein Jäger dabei, der Parazoologie studiert, ausgedrückt durch die Rolle Parazoologe. Natürlich sind auch alle drei auf Parazoologe aufbauenden Professionen (Tierfänger, Zuchtmeister und Prosektor) auf Feldeinsätzen willkommen. Spezialisten ohne Parazoologie-Hintergrund sind meist ebenfalls gerngesehene Begleiter, etwa Musketiere, Söldner und Gardisten zum Schutz der Gruppe.
3. Reise zum Einsatzort
Die Reise zum Einsatzort selbst ist meist unspektakulär, es sei denn, der HeXXenmeister plant auf dem Weg eine Begegnung oder ein Zwischenabenteuer. Andernfalls erhalten die Jäger 3 Fza für die Reise (bei einer Standardreise über Land) und müssen diese noch vor Ankunft am Zielort für beliebige, erlaubte Handlungen einsetzen.
4. Ermittlungen vor Ort
Dieser Teil macht den größten Teil des Feldeinsatzes aus. Die Jäger erreichen das Zielgebiet und machen sich mit den dortigen Verhältnissen vertraut. Vermutlich setzen sie sich mit den betroffenen Menschen in Verbindung, suchen nach verschiedenen Hinweisen oder halten Ausschau nach einer Informationsquelle. Stück für Stück sollten sie ermitteln, mit welchem Gegner sie es zu tun haben und wo sie ihn finden können.
5. Finale
Alle Hinweise, die die Jäger finden, führen schließlich zu einer direkten Konfrontation mit dem Inconnu oder wahlweise einer intelligenten Kreatur der Nacht. Meist kommt es zu einem Kampf, und das Inconnu kann getötet oder gefangen werden. Sollten die Jäger unterliegen, sollte ihnen der HeXXenmeister eine Möglichkeit zur Flucht offenlassen. In diesem Fall kehren die Jäger zwar ohne Studienobjekt zurück, konnten aber dennoch einige wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Gleiches gilt, wenn sie auf ein intelligentes Wesen stoßen, das sie nicht mitnehmen können – auch dann werden sie wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die sie anschließend gegen Forschungspunkte eintauschen können.
Publikation: Handbuch der Parazoologie | Seite 9